Am 24.08.2021 wurde ein von mir in Altenkirchen gedrehter Beitrag in der Nachrichtensendung „IDEA TV“ auf Bibel TV gesendet.
Nach 27 Jahren Übersetzungsarbeit liegt Gottes Wort in der Sprache Romanes vor
Kay-Helge Hercher Altenkirchen | Nach 27-jähriger Arbeit eines Teams aus Sinti und Deutschen, Muttersprachlern, Linguisten und Theologen ist es geschafft: Das Volk der Sinti hat endlich eine komplette Bibelübersetzung in seiner Muttersprache.
Der Weg dahin war sehr beschwerlich, erklärt Jens Döhling von der christlichen Organisation Romanes-Arbeit Marburg, die das Ziel hat, den Sinti das Wort Gottes in Romanes zugänglich zu machen. „Kein Gadje – das sind alle Menschen, die nicht Sinti oder Roma sind – darf Romanes lernen. Kein Sinto darf einem Gadje Romanes beibringen. Es darf keine geschriebenen Romanes-Texte geben. Bis die Schwierigkeiten überwunden waren, dass man Romanes lernen konnte und man von den Sinti die Erlaubnis bekam, Romanes-Texte aufzuschreiben, waren große Brocken aus dem Weg zu räumen“, so Döhling.
Kamera und Interview vor Ort: Kay-Helge Hercher
Die Verschriftlichung sei verboten gewesen, weil man verhindern wollte, dass Deutsche Romanes lernen. Warum? Zu tief verwurzelt sei das Misstrauen gegen die Deutschen. Im Dritten Reich hätten viele Sinti die Erfahrung gemacht, dass Deutsche erst ihr Vertrauen gewonnen und am nächsten Tag einen Trupp schwarz uniformierter SS-Schergen vorbeigeschickt hätten. Dies sei für die Sinti bis zum heutigen Tag so traumatisch, dass immer noch großer Wert darauf gelegt werde, den Deutschen nicht die Möglichkeit zu geben, Romanes zu lernen.
Die feierliche Übergabe des frisch gedruckten Wort Gottes fand am Sonntag im Rahmen eines Festgottesdienstes in Altenkirchen statt. Ursprünglich war hierfür das Stammhaus der Wycliff-Bibelübersetzer in Holzhausen vorgesehen, der feierliche Akt wurde jedoch auf Grund der aktuellen Corona-Verordnungen nach Altenkirchen in Rheinland-Pfalz verlegt.
Die Organisation Romanes-Arbeit Marburg ist Projekt-Partner der Wycliff-Bibelübersetzer. Neben der Übersetzung der Heiligen Schrift ging es ihnen auch darum, durch Förderung der Muttersprache die Identität der Sinti zu stärken und Wege zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe zu eröffnen.
„Gott redet in unser Leben hinein in der Sprache, in der wir denken, fühlen und leben. Seit über 600 Jahren lebt in Deutschland das Volk der Sinti, das Gottes Wort noch nicht in der Sprache seines Herzens, dem Romanes, hat. Die biblischen Wahrheiten würde mein Volk viel besser verstehen, wenn es sie in unserer Sprache lesen könnte“. Diese Überlegung des Sinto Reilo Weiß aus Hameln war der Beginn der Bibel-Übersetzung in Romanes.
Der Gedanke ist nicht neu: Im Jahr 2021 feiern Christen ein Jubiläum, 500 Jahre Neues Testament auf Deutsch. Damit hat Martin Luther das Fundament für die deutsche Sprache und Kultur gelegt und das Tor zu geistiger und geistlicher Freiheit aufgestoßen. Die Menschen sollten selber verstehen und prüfen können, was Gott zu sagen hat. Sie sollten verstehen können, was die Bibel und Jesus Christus mit ihrem Leben zu tun haben.
„Wir gaben damals mehreren Sinti-Familien aus Neuwied Übersetzungen von einzelnen Teilen der Bibel. Sie waren wie ausgewechselt, als sie feststellten, dass Gott Romanes spricht“, führte Jens Döhling weiter aus. Die Sinti seien zu der Erkenntnis gekommen, dass Gott ihnen etwas zu sagen habe und sein Wort ihnen gelte. Zu eben diesen Sinti gehörte auch Familie Laubing. Hier zeigte sich Otta Laubing als engagiert und unterstützte das Übersetzungsprojekt.
Vom ersten übersetzten Text bis zur Drucklegung war sie in das ehrgeizige Projekt involviert. Eine Herzensangelegenheit für Otta Laubing war darüber hinaus, einzelne Teile der Bibel zu nutzen, um ihren Kindern das Lesen und Schreiben in der Muttersprache beizubringen.
Hintergrund: Sinti und Roma stammen ursprünglich aus West-Indien. Vor rund 1000 Jahren machten sie sich auf den Weg nach Europa. Als Sinti werden die Angehörigen der Minderheit bezeichnet, die sich vorwiegend in West- und Mitteleuropa angesiedelt haben. Die Roma leben zumeist in ost- und südosteuropäischen Ländern. Der Begriff Sinti wird nur im deutschsprachigen Raum verwendet. Außerhalb wird der Name Roma für die gesamte Völkergruppe gebraucht. Sie sprechen unterschiedliche Abwandlungen der Sprache Romanes, die auf eine Entwicklung aus der altindischen Hochsprache Sanskrit zurück geht. Oftmals werden die Sinti und Roma auch noch umgangssprachlich als ´Zigeuner´ bezeichnet. Diese mit vielen Klischees behaftete aus dem Mittelalter stammende Bezeichnung lehnen beide Gruppen als diskriminierend ab.