Auch das Bäckerhandwerk leidet unter Corona-Pandemie / Mehr Geld für Bäcker: „Sicherheit in unsicheren Zeiten“
Kay-Helge Hercher Siegen-Wittgenstein/Olpe | Der heutige Tag wird für die meisten Menschen ein Tag wie jeder andere sein, für den Weltverband der Bäcker und Konditoren hingegen ist es ein ganz besonderes Datum. Die Organisation mit Sitz in Madrid feiert am 16. Oktober traditionell den „Welttag des Brotes“. Aber warum genau dieses Datum: Am 16. Oktober 1945 wurde die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen gegründet, deren Motto lautet „Fiat panis“ – lateinisch für: „Es werde Brot“. Die Bedeutung des Brotes für die globale Ernährung soll mit dem internationalen Aktionstag in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt werden.
Wertschätzung durch Konsumenten steigt
Bereits seit einiger Zeit hat in der Öffentlichkeit ein Umdenken stattgefunden, bewusste und gesündere Ernährung rücken immer mehr in den Fokus. Darüber hinaus möchte der Konsument wissen, woher seine Nahrung kommt. Gut für das Bäckerhandwerk, denn deren hochqualitativen Produkte erhalten dadurch verstärkte Wertschätzung.
Brot als ein wichtiges und hochwertiges Lebensmittel liegt national und international hoch im Kurs, besonders aber die Backwaren aus deutscher Produktion. Und die Auswahl ist weltweit einzigartig – es gibt in der Bundesrepublik rekordverdächtige 3.200 eingetragene Brotsorten. Der Verbraucher weiß das zu schätzen: die Gesellschaft für Konsumforschung hat ermittelt, dass die privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2019 rund 1.610.926 Tonnen Brot gekauft haben. Auch wenn der Wandel der Gesellschaft weiter voranschreitet und die drei Hauptmahlzeiten am heimischen Tisch längst durch viele kleine Snacks zwischendurch ersetzt worden sind, erfreut sich das Brot einer großen und wieder ansteigenden Beliebtheit bei den Konsumenten.
Corona-Krise kostet das Bäckerhandwerk bislang 1 Milliarde Euro
Trotz hoher Wertschätzung leiden auch die Handwerksbäcker unter der Corona-Pandemie. Auf Grund behördlicher Schließung von Bäckereicafés ist besonders in den Anfangsmonaten der Pandemie viel Umsatz verloren gegangen. Laut einer aktuellen Umfrage der Landesinnungsverbände und des Zentralverbandes des Bäckerhandwerks unter den Betrieben summieren sich die Umsatzeinbußen bislang auf ein Minus von insgesamt mehr als einer Milliarde Euro, so Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks. Eitel Sonnenschein sieht anders aus – die Bäckereibetriebe sehen mit getrübtem Blick in die Zukunft. Die Mehrzahl der Betriebe rechnet damit, dass eine Rückkehr zum Normalbetrieb frühestens Mitte nächsten Jahres wieder möglich sein wird.
Lage der heimischen Bäckereibetriebe
„Die Lage der Mitgliedsbetriebe in der Region ähnelt der bundesweiten Situation“, erklärt Georg Sangermann, Obermeister der Bäcker-Innung Westfalen-Süd, auf SZ-Nachfrage. Besonders problematisch sähe es in den Innenstadtlagen aus. Hier seien die Umsätze der Betriebe auf Grund verringerter Kundenfrequenz zurückgegangen. Auch die zum Teil beträchtlichen Mieten, besonders in großen Einkaufszentren, würden zu schaffen machen. Bäckereien mit integrierten Cafés hätten Einbußen, da die Plätze wegen bestehender Abstandsregeln nicht voll ausgenutzt werden könnten. Umsätze durch Außengastronomie fallen witterungsbedingt ebenfalls weg. Betriebe, die einen hohen Anteil an Lieferservices bieten, seien ganz besonders betroffen, fügt der Obermeister hinzu. Viele Kunden, wie große Unternehmen, dürften gar nicht mehr angefahren werden. Große Feiern fallen derzeit ebenfalls aus, auch das bringe für etliche Lieferanten finanzielle Einbußen mit sich. Der Verkauf über die Theke, so häufig im ländlichen Raum, laufe glücklicherweise fast wieder normal. Auch bei uns seien viele staatliche Hilfen geflossen, die teilweise auch schon wieder zurückgezahlt worden seien, wenn sich die Hilfebedürftigkeit der Betriebe als nicht so gravierend erwiesen habe. Trotz aller widrigen Umstände werde natürlich weiter ausgebildet und es würden auch weiterhin Lehrlinge für Bäckerei und Verkauf gesucht, betont Sangermann.
Mehr Geld für die Angestellten des Bäckerhandwerks
Für das Bäckerhandwerk in NRW und die ehemaligen Regierungsbezirke Koblenz und Trier wurde dieser Tage, nach intensiven und zähen Verhandlungen mit der Gewerkschaft NGG, ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen. Die bis Anfang 2023 gültige Vereinbarung sieht mehr Geld für die Angestellten des Bäckerhandwerks vor. Auch die außergewöhnlichen Erschwernisse während der Corona-Pandemie finden Berücksichtigung – jeder Mitarbeiter erhält vollzeitäquivalent einen bis Ende des Jahres auszahlbaren betrieblichen Corona-Bonus in Höhe von 200 Euro. „Das Bäckerhandwerk hat in NRW in den vergangenen sieben Krisenmonaten mehr als 250 Millionen Euro Umsatz verloren“, berichten die beiden Verhandlungsführer Heribert Kamm und Bernd Siebers. Der maßvolle und langfristige Tarifabschluss ermögliche den Betrieben in der aktuell wegen der Corona-Pandemie nur sehr schwer planbaren Wirtschaftslage eine mittelfristige Planungssicherheit unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Belange. Der neue Entgelttarifvertrag helfe dabei sicherzustellen, dass die vielen familiengeführten Betriebe der Branche weiterhin qualifizierte und motivierte Mitarbeiter finden und man eine gute Chance habe, die Krise gemeinsam gut zu überstehen.
Unser tägliches Brot und seine Lagerung
Für die SZ-Leser hat die Rudersdorfer Bäckermeisterin Simone Hellmann, Inhaberin des gleichnamigen Betriebes, ein paar kleine Tipps parat: Frisches Brot vom Handwerksbäcker ist besonders lange knusprig, haltbar und auch nach Tagen noch genießbar, wenn es richtig gelagert wird. Brot und Brötchen sollte man am besten bei Raumtemperatur lagern. Steingutbehälter verhindern Schimmel und halten Brot frisch. Das Brot immer auf der Schnittkante lagern.
Übrigens, der nächste „Feiertag“ für die deutschen Bäcker lässt noch ein wenig auf sich warten, ist aber bereits in Sichtweite. Der „Tag des Deutschen Brotes“ wird kommendes Jahr am 15. Mai begangen.